F-Junioren auf dem Treppchen

Gott sei Dank sind die Stars der Germaniastädter F-Jugend pünktlich zur Kaffeezeit aus ihrem Mittagsschläfchen erwacht, sonst hätte wohl so mancher der Jungs gar nicht gemerkt, dass der FSV Burkhardtsdorf zum geneigten Bälleschieben in der großartigen Eurofoam Arena geladen hatte – und auch der Gornauer Nachwuchs dort zumindest physisch anwesend war. Drei von vier Partien gänzlich verschlafen und tatsächlich trotzdem am Ende den dritten Platz von sechs Teams eingefahren, nahm die Reise ins Traumland letztlich ein versöhnliches Ende. Der dritte Platz und die Medaillen waren Balsam für die Trainerseelen und auch die Jungs dürften wohl glücklicher die ausverkaufte Halle verlassen haben, als dies zwischenzeitlich zu erahnen war: Denn mit zwei Niederlagen und zwei Siegen und einem Minustorverhältnis von 4-6 grenzt es an ein Wunder, dass die Talente am Ende des Mittags tatsächlich auf dem Treppchen standen. 

Gewohnt stimmungsgeladen vom abermals die Ränge dominierenden Ostblock unterstützt – obwohl Teile der F-Jugend Väter am Tag zuvor beim Gornauer Sponsorencup selbst das Leder streichelten und aktive Regeneration anstand –, wollten die Germaniastädter dieses Turnier vor großer Kulisse als freudige Zugabe nach dem großen Erfolg der vergangenen Woche beim Krösus der Liga, dem FV Amtsberg, mitnehmen. Geladen wurde ausdrücklich der „junge“ Jahrgang mit Geburtsjahr 2009. Die Stars der Germanen mussten dennoch mit voller Truppe anreisen, da die Finanzlage des Vereins große Transfers momentan einfach nicht zulässt und selbst eine Stadt international ersten Rangs wie Gornau nicht der Luxus gegönnt scheint, zwei F-Jugenden getrennt nach Jahrgängen aufzubieten. Auch blieben die internationalen Topteams dem Turnier fern – insgesamt schien dieses Format für das Gornauer F-Jugend Ensemble also große Perspektiven zu bieten. Entsprechend hoch war die Erwartungshaltung bei den Vereinsverantwortlichen, Medien und Trainern. Dass diese Vorteile schnell verpuffen sollten, wurde allerdings recht früh deutlich: Ein geschickter Schachzug der Burkhardtsdorfer schien zu sein, das Zaubern auf dem Hallenboden zur besten Mittagsruhezeit an einem Sonntag anzusetzen. Der Biorhythmus sämtlicher Germaniastädter war beim besten Willen nicht in der Lage, die sonst gewohnte allsonntägliche Tagesroutine vom Rouladenmenü bei Oma, über das genüssliche Schläfchen am Mittag hin zum familiären Spaziergängchen umrahmt von der Kaffee-Kuchen Garnitur, auf eine irgendwie geartete sportliche Aktivität umzustellen. Der Jet-Lag, den die Stars an diesem Mittag im sächsischen Burkhardsdorf auszubaden hatten, dauerte ganze drei Spiele an. Ich meine schon Schachpartien gesehen zu haben, in denen die Akteure mehr Bewegungsarbeit zu verrichten hatten, als dies heute auf dem Hallengeläuf der Fall war. In einer Not-gegen-Elend Manier retteten die Germaniastädter gegen den jungen Jahrgang des BSV Gelenau einen 1-0 Auftaktsieg. Schon in Minute eins der Partie begann das Trainergespann Sowade-Gillert mächtig zu schwitzen und das sollte bis zur letzten Turnierminute nicht mehr anders werden. Die Pulswerte waren seit längerer Zeit wieder einmal bedrohlich hoch, dazu der Jet-Lag – nah dran an einem Herzinfarkt war die ganze Sache, möchte man im Rückblick meinen. Eine extra Versicherung für Trainer könnte möglicherweise eine Marktlücke schließen und großes Potenzial für Versicherungsgesellschaften besitzen. Spielerisch bekamen die Talente jedenfalls nur wenig auf den geponerten Hallenboden: Die Offensive, wieder angeführt vom Torschützenkönig des Turniers, Felix, bekam gegen die körperlich in jeder Beziehung unterlegenen Gelenauer kein Zugriff, die sonst sicher vorgetragenen Ballstafetten und traumhaften Spielzüge waren auch mit dem „Razieehglas“ – wie es der Erzgebirger gern ausspricht – selbst für den größten Optimisten auf den Rängen weit und breit nicht zu sehen. Ganz ähnlich gestaltete sich die Partie gegen Thalheim 2. Auch hier fehlte den Germanen jeder Zugriff auf die quirrligen und spielfreudigen Gegner, der Jet-Lag, das Sandmännchen und die Strapazen der langen Anreise schlugen kompromisslos durch. Es wäre wahrlich nicht aufgefallen, wenn sich einfach einer aufs Feld gelegt hätte, vielleicht hingen die Bewegungsverweigerung und steifen Hüften aber auch schlicht an Omas noch nicht verdauter Roulade. Grobe Fehler im Defensivverhalten gepaart mit unglücklichen Entscheidungen bei zahlreichen Gelegenheiten zum Torschuss und nicht zuletzt der ein oder andere individuelle Aussetzer in allen Mannschaftsteilen sorgten dafür, dass das Team am Ende mit einem 1-2 vom Platz ziehen musste. Sowade und Gillert haderten mit allem, was in diesen beiden Spielen passierte, die Turnübungen am Rad des Spielfeldes hatten jedenfalls mehr Bewegungsinhalt und kolorienverbrennenderes Potenzial, als die andächtig vorgetragene Zeremonie auf dem Feld.
Es hatte etwas zutiefst ironisches, dass die Germaniastädter trotz der „glorreichen“ Leistung in der Staffel auf Platz zwei standen und damit theoretisch noch um den ersten Platz mitspielen konnten, mehr oder weniger aber zu bewerten als Tagträumereien des Berichtschreibers bei den Vorleistungen des Teams. Die Kabinenansprachen waren entsprechend deutlich, die Eurofoam-Arena bebte. „Make Gornau Great Again“ war die Devise – solche Phrasen reichen mittlerweile für die Chefsessel nationaler Parlamente, dann wird das auch für die Gornauer Hallenpolitik in Burkhardtsdorf zweckdienlich sein. Der Appell an die Mannschaft zeigte zumindest erste Wirkung. Kein geringerer als der Gastgeber selbst wartete im Halbfinale auf das sich langsam ausschlafende Ensemble: Trotz einer deutlichen 0-4 Schlappe war endlich Leben in der Hütte: Euron führte in der bis dahin fast nicht sichtbaren Offensive den Nachweis, aus allen Lagen möglichst genau auf den gegnerischen Tormann zu schießen – es gelang ihm beeindruckend zielsicher. Julian hatte offenbar vor, die Hallenwand selbst hinter dem Tor auszudribbeln, Torabschlüsse waren da noch überbewertet. Endlich waren aber nun Aktionen zu vernehmen und die Jungs gewannen Spielfreude und Sicherheit zurück, ja vermochten zunehmend den Sandmann abzuschütteln. Max G. zeigte sich ungemein griffig in der Manndeckung und nahm bemerkenswert sicher den doch recht groß und erfahren wirkenden gegnerischen Spielmacher aus dem Rennen. Auch die Nachtwächter, ach nein, es waren die Torhüter Max T. und das Körpergrößen-Upgrade Bengt kamen so langsam ins Spiel. Beide zeigten nun, was in Ihnen steckt. Max „the cat“ wechselte die Taktik von Bälle-ins-Aus wünschen zum schlicht üblichen Verfahren eines Keepers: Paraden herausholen, gut dabei aussehen und nett lächeln, potentielle Schwiegermütter wird es freuen. Die Niederlage war freilich hart, aber nicht unverdient. In Normalverfassung hätte man hier tatsächlich mehr holen können. Wie auch immer: Nun ausgeschlafen und mit einer ersten Ahnung, was die Truppe wirklich aufs Parkett zaubern kann, ging es mal wieder um den dritten Platz. Das sind klar die bedrohlichsten Spiele: Alles oder Nichts, Treppchen oder Flur,  Edelmetall oder feuchter Händedruck – der Scheideweg zwischen handfestem Material oder dem sportlich-philosophischen Gut „dabei sein ist alles“ (das kann man sich aber eben nicht um den Hals hängen…) Abermals gegen Thalheim 2 sollte es also zum Showdown für die Germaniastädter an diesem frühen Nachmittag kommen: Und prompt zeigten die Kicker, dass sie mit Leidenschaft Fußball spielen können. Bengt parierte nun in hervorragendem Stellungsspiel betont lässig souverän alles das, was aufs Tor oder nur in die Nähe davon flog, Felix glänzte gar als Retter auf der Linie. Auch Lauro koordinierte tiefenentspannt das Spiel von hinten und übernahm die Führungsrolle, in den vorigen Spielen musste man ihn noch lange suchen. Überlegte Angriffe, saubere, aber nicht immer erfolgreiche Abschlüsse und Durchsetzungskraft waren nun vorhanden. Dazu war die Defensive stabil und robust: Die jungen und unerfahrenen im Feld, Elias und Wilhelm, übernahmen schon in den vorigen Spielen tragende Aufgaben, Verantwortung für die Mannschaft und zeigten sich an diesem Tag besonders souverän in den Zweikämpfen – das lässt für die Zukunft großes hoffen und machte Freude zu sehen, da beide immer selbstbewusster und energischer agieren. Zu erschöpft vom Dauermaximalpuls, um noch Interviews zu geben, durften die Trainer am Ende zufrieden die Heimreise antreten – die Talente konnten doch noch abrufen, wozu sie fähig sind und durch ein starkes Spiel das gesamte Turnier retten. Insgesamt stehen in dieser Hallensaison ein Einzug in die Kreismeisterschaftszwischenrunde, zwei unterschiedlich zu bewertende dritte Plätze und eine dunkle Stunde zwischen Weihnachten und Neujahr mit dem letzten Platz zu Buche: Eine Statistik, die sich zumindest halbwegs sehen lassen kann. Die kommenden Wochen stehen ganz im Zeichen der Vorbereitung auf die Rückrunde: Kondition, Kondition, Kondition. Meisterschaft und Championsleague-Qualifikation sind abgeschrieben, auch der DFB-Pokal ist erledigt. Es geht um Positionen im Mittelfeld, vielleicht mit Sicht auf die Europaleague-Plätze – klare Ziele, die die gesamte Truppe weiterhin Woche für Woche fordern werden.

 

Tobias Sowade

 

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